Mit einem Feed-Reader abonnieren

Jun 02

Mein Gegenüber sah mich mit blitzenden Augen und in kampfbereiter Stellung an.  Eine leichte Alkoholfahne stieg mir in die Nase. Die Leitungscrew und ich sassen um 01.00h noch mit ca. 20  Mitarbeiterinnen in einer lauer Sommernacht bei einer der traditionellen  Retraite unserer Klinik  zusammen. Was war passiert? Vor einigen Tagen hatte ich ein Gespräch mit einem Mitarbeiter über seinen Antrag für eine Weiterbildung, die ich ablehnte. Ich hatte das Gefühl den Mitarbeiter in eine falsche Richtung zu unterstützen. Er  war ein sehr technisch ausgerichteter Mensch, der seine eigene Unsicherheit im Fachgebiet mit dem Einsatz von Technik kompensieren wollte und mit meinem Entscheid überhaupt nicht einverstanden. Kurz gesagt: Es bestand eine gewisse Spannung zwischen uns beiden.

Nun sitzt mir also an diesem Abend ein emotional aufgebrachter, frustrierter Mensch am Tisch mit dem Bierglas in der Hand gegenüber und will mir "ein Gespräch aufzwingen". Ich sage ihm freundlich, dass ich den Augenblick für nicht so günstig halte, um mit ihm noch einmal meinen Entscheid zu diskutieren. Bin aber offen für ein weiteres Gespräch in den nächsten Tagen. Er überlegt kurz und sagt mir: Weisst Du, Du bist doch wirklich ein Arschloch.

Totenstille an den Nachbartischen, jedenfalls hatte ich das Gefühl, alle Gespräche um uns herum verstummten mit einem Schlag. Er sah mich weiter provozierend an. Was mache ich jetzt in dieser Situation? Will ich mich dem jetzt stellen und mit ihm diskutieren? Welches Signal sende ich mit welcher Antwort für den Übeltäter aus und für die anderen Mitarbeiter? Lass ich einfach den Boss raushängen?

Bevor Sie weiter lesen, überlegen Sie sich einmal, wie hätten Sie in der Situation reagiert?

Meine Antwort an ihn war:

Bevor Du noch weiter darüber nachdenkst, ob ich ein Arschloch bin oder nicht, überlege Dir lieber einmal, warum das jetzt für Dich keinerlei Konsequenzen hat.

Die Gespräche gingen weiter, mein Gegenüber ging an einen anderen Tisch und ich hatte ein paar Stunden später eine Entschuldigung in meinem mail. Die Sache war für mich gegessen. Führungsverantwortung bedeutet auch, sich in den anderen hinein versetzen zu können. Frustration und Alkohol in Kombination machen den Geist trübe und die Zunge schnell. Warum sollte ich also nachtragend sein? Mein Gegenüber hat seine Grenzen kennen gelernt, ohne dass es für ihn einen Nachteil hatte. Die anwesenden Mitarbeiter haben nun gewusst, dass ich  einen Spielraum für sie frei halte, in dem Emotionalität möglich ist  und gelebt werden darf und ich habe eine Problemsituation bereinigen können, in der es keine Verlierer gab.

in dieser Nacht  war ich  zufrieden mit mir und meiner Entscheidung...

In diesem Sinne

GBS

 

 

Einen Kommentar schreiben